Workshop «Mittelalterliche Eliten und Kulturtransfer östlich der Elbe»
erstes Treffen der Arbeitsgruppe «Gentes trans Albiam»
(Göttingen, 26-27 Juli 2007)

Programm (pdf)

Anne Klammt und Sébastien Rossignol

Am 26. und 27. Juli 2007 führte die Arbeitsgruppe "Gentes trans Albiam - Europa östlich der Elbe" ihren ersten Workshop in Göttingen in Kooperation mit dem Seminar für Ur- und Frühgeschichte und dem Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August Universität sowie der Mission Historique Française en Allemagne (MHFA)und der der Polnischen Historischen Mission am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften (PHM) durch. Die Veranstaltung wurde mit Mitteln der MHFA, der PHM und der Gerda Henkel Stiftung gefördert. Sie wurde unter wissenschaftlicher Leitung der Professoren Hedwig Röckelein und Karl-Heinz Willroth von den Doktoranden Anne Klammt und Sébastien Rossignol organisiert. Im Mittelpunkt stand dabei eine interdisziplinäre Betrachtung der verschiedenen Formen des Kulturtransfers am Beispiel der Eliten Ostmitteleuropas, Nordosteuropas und der eurasischen Steppen.

Die gegenwärtige Entwicklung in der Archäologie und Geschichtswissenschaft zeigt neue Betrachtungsweisen in der Untersuchung von Eliten.1 Wie Régine Le Jan gezeigt hat, existiert in jeder Gesellschaft eine Reichtum und Prestige auf sich ziehende führende Minderheit. Sie wird durch eine hohe soziale Position gekennzeichnet, aber auch durch Ansehen und Anerkennung.2 Als äußeres Kennzeichen der Eliten zeichnet sich dabei besonders der überregionale Transfer einzelner Güter und ihrer kulturell kodierten Wertesysteme ab.3 Unter Kulturtransfer werden die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Kulturen und die übernahme kultureller Elemente verstanden. Im Mittelpunkt stehen die alternierenden Bewegungen zwischen einer Ausgangskultur, einer Vermittlungsinstanz und einer aufnehmenden Kultur.4 Ziel des Workshops war es daher die Potentiale und möglichen Einschränkungen des Modells im Lichte der beiden Disziplinen zu betrachten.5

In ihrer Einleitung skizzierten die Verfasser die wesentlichen Merkmale des Modells vom Kulturtransfer. Sébastien Rossignol unterstrich dabei die Möglichkeiten, die sich einem Kulturvergleich zwischen dem westlichen und dem östlichen Mitteleuropa im Mittelalter durch die differenzierte Betrachtungsweise des Modells ergäben. Anne Klammt stellte die kritische Frage nach den erkenntnistheoretischen Möglichkeiten in den Mittelpunkt ihrer einleitenden Worte. Nachdem sie zunächst die Untersuchung des kulturellen Austauschs und der Eliten als klassische Themenfelder der archäologischen Forschung kennzeichnete, hob sie ebenfalls die Bedeutung des vergleichenden Ansatzes des Modells hervor.

Den ersten Vortrag mit dem Titel "Zu Möglichkeiten und Grenzen des Kulturtransfermodells - Akkulturation und Ethnos in der hoch- und spätmittelalterlichen Germania Slavica" hielt Petra Weigel (Jena). Die Referentin zeigte zunächst, wie trotz der zahlreichen Arbeiten zu den Beziehungen zwischen Slawen und Deutschen in der Germania Slavica nie über die ethnische Wahrnehmung grundsätzlich nachgedacht worden ist. Dies als Hintergrund benutzend hat Weigel Grundgedanken über Potentiale und Schwierigkeiten des Kulturtransfermodells für ihr Arbeitsgebiet vorgeführt. Zunächst stellte sie fest, dass Kulturtransferprozesse sicherlich massiv stattgefunden haben, aber dass der Forscher stets von der Spärlichkeit und Einseitigkeit der Quellen behindert ist. Dennoch vertrat sie die Meinung, dass Ansatzmöglichkeiten der Kulturtransferforschung in der Germania Slavica vorhanden sind, wie die wechselseitige Beeinflussung deutscher und slawischer Siedlungs-, Wirtschafts-, Rechts- und Sprachformen.

Eine gänzlich andere Situation ergibt sich bei der Betrachtung frühmittelalterlicher Seehandelsplätze an der südlichen Ostseeküste. Sunhild Kleingärtner (Kiel) analysierte in ihrem Referat "Die Frage nach Kulturtransfer und Eliten im Gebiet der südwestlichen Ostseeküste in früh- und mittelslawischer Zeit" am Beispiel des Handelsplatzes von Menzlin, Landkreis Ostvorpommern, die Beziehung der Handelsplätze zu dem Hinterland. Sehr anschaulich konnte Kleingärtner aus einem Vergleich der Verbreitung skandinavischer und fränkischer Güter im slawischen Hinterland zeigen, dass sich die slawischen Eliten offensichtlich sehr viel stärker nach Westen orientiert haben. Ursächlich scheint für die Referentin eine deutlich andere politische Interessenslage der fränkischen als der skandinavischen Herrschaft gewesen zu sein. Ging es bei den Franken um eine Integration der benachbarten slawischen Gebiete, lag für die Skandinavier das Hauptinteresse wohl in der Unterhaltung einer Kette von verkehrstechnischen Umschlagplätzen entlang der Ostseeküste.

Aleksander Paroń (Breslau) führte in seinem Beitrag "Die Stammeseliten und das Phänomen des Kulturwandels. Grundbemerkungen anhand von Beispielen bei den Nomadenvölkern des mittelalterlichen Eurasiens" seine Gedanken über die Bereitschaft der Eliten der frühmittelalterlichen Steppenvölker, den zur Sesshaftigkeit führenden Kulturwandel zu akzeptieren oder abzulehnen, vor. Dem Breslauer Historiker zufolge haben sich in mehreren Situationen Mitglieder der Eliten der Steppenvölker bereit erklärt, sich die Kultur der sie umgebenden Reiche - Byzanz, China oder Persien - anzueignen. Die Assimilation dieser Eliten wurde durch Gesandtschaften, Geiselnahmen und Indienstnahmen am Hof gefördert. Diese Prozesse führten zu Kulturtransfers über die Vermittlung der Eliten, die den Kulturwandel beschleunigten. Dennoch habe es von der Seite der Eliten der Steppenvölker auch Ablehnung gegenüber den fremden Kulturen gegeben, wie eine Inschrift in alttürkischer Sprache bezeugt.

Anschließend trug Mathieu Olivier (Paris XII) über "Historiographische Kulturtransfers im Spätmittelalter. Preußen und die preußische Chronistik (13.-15. Jahrhundert)" vor. Eingangs bemerkte Olivier, dass trotz der Schwierigkeiten der Anwendung des von Michel Espagne und Michael Werner geprägten Kulturtransfermodells für die vornationalen Perioden, dieses Modell dennoch den Vorteil einer dynamischen Betrachtung der Prozesse des übertragens habe. Ausgehend von seinen eigenen Forschungen über die handschriftliche überlieferung der spätmittelalterlichen Chroniken Preußens rekonstruierte der Vortragende die Transmissionswege mehrerer Chroniken und beleuchtete die Art und Weise der Rezeption über erhebliche Distanzen. Dabei stellte Olivier fest, dass die Intensität des Personenverkehrs zwischen Preußen und anderen Regionen bedeutender gewesen sei als die geographisch periphere Lage.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die vergleichende Untersuchung des Fundstoffes mittelalterlicher Adelsburgen durch Norbert Goßler (Brieselang). In seinem Beitrag "Materielle Kultur und soziale Differenz. Einige überlegungen zum archäologischen Fundstoff aus mittelalterlichen Adelsburgen." verglich er zunächst die Anlagen und Funde von vier Burgen in Thüringen, in der Niederlausitz, in Mecklenburg und im Kulmer Land. Unter Heranziehung der schriftlichen Quellen gelang es dem interdisziplinär arbeitenden Archäologen zu verdeutlichen, wie zum Spätmittelalter hin der Abstand zwischen der rechtlichen Stellung und dem eigenen Anspruch an sozialem Prestige wuchs. Da sich die hoch- bis spätmittelalterliche Adelskultur durch eine recht einheitliche materielle Prägung auszeichnete, führte Goßler Unterschiede in der Ausstattung der gewählten Fallbeispiele entsprechend auf die soziale und rechtliche Stellung der Bewohner sowie die Funktion der Befestigung zurück. Der Zustand kann somit als Endpunkt eines nachhaltigen kulturellen Transfers von West nach Ost und vollständige Rezeption betrachtet werden.

Bartłomiej Sz. Szmoniewski (Krakau) führte den Workshop mit seinem Vortrag "Two Worlds, one Hoard: What Do Metal Finds from the Forest-steppe Zone Speak about?" erneut in die Steppenregionen Zentralasiens. Hier in der Waldsteppenzone sind eine Anzahl frühmittelalterlicher Hortfunde bekannt, deren zentrale Rolle für das Verständnis der kulturellen Entwicklung dieser Region bereits frühzeitig in der Forschung erkannt wurde. Szmoniewski legte dar, wie die ethnische Deutung der Hortfunde trotz mehrerer Versuche jüngst als nicht durchführbar abgelehnt wurde. Der Referent zeigte anhand der stilistischen Untersuchung typischer Gegenstände aus dem Hort die verschiedenen kulturellen Beeinflussungen, unter anderem aus der byzantinischen Kunst. Mit einer Betrachtung der wechselhaften politischen Verhältnisse in dem Gebiet nördlich des Schwarzmeeres bekräftigte Szmoniewski seine Einschätzung der Region als Spannungsfeld und Schmelztiegel verschiedenster Kulturen nomadischer Lebensweise.

Im Zentrum des Beitrages von Martina Kotková (Leipzig-Prag) über "Frühmittelalterliche Keramik als Beleg für die Kontakte zwischen Sachsen und Nordwestböhmen" stand die frühmittelalterliche Keramik vom Typ Zabrušany. In der bisherigen archäologischen Forschung wird die nachgedrehte, sehr qualitätsvolle Ware als Produkt des nördlichen Böhmens angesehen. Während sie dort auf Gräberfeldern und offenen wie befestigten Siedlungen gefunden wird, beschränken sich im südlichen Sachsen Funde der Keramik auf Burgen entlang der Elbe. Die Referentin hat begonnen, die Fundorte der Keramik in Sachsen zusammenzutragen und ist dabei bereits auf eine sehr viel größere Anzahl von Fundstücken gestoßen, als bisher bekannt war. Dies nahm sie zum Anlass, die verschiedenen Möglichkeiten für das Verbreitungsbild in Sachsen und Böhmen vorzustellen. Dabei wies Kotková auch auf die Frage hin, ob die Zabrušaner Ware nicht letztlich auch in Sachsen lokal hergestellt wurde. An dem Beispiel dieser Keramik verdeutlichte die Archäologin, wie sehr die Untersuchung kultureller Transfers von einer kritischen Sichtung des archäologischen Forschungsstands abhängig ist.

Unter dem Obertitel "Eliten im Hinterland - der Adelssitz von Glienke, Landkreis Mecklenburg-Strelitz" referierte Sebastian Messal (Frankfurt-Schwerin) über seine Forschungen zu einer mittelslawischen Burg. Seine überlegungen gliederte er dabei in zwei Bereiche, von denen der erste den kulturellen Einflüssen aus dem skandinavischen, fränkischen und großmährischen Gebiet gewidmet war. In dem zweiten Teil des Beitrages setzte sich Messal mit der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Burganlage auseinander. Anhand des Fundgutes konnte eine umfangreiche landwirtschaftliche und verschiedene handwerkliche Tätigkeiten nachgewiesen werden. Die wirtschaftliche Struktur deutet Messal als Form einer frühen grundherrschaftlichen Struktur in mittelslawischer Zeit, die gewisse ähnlichkeiten mit dem System der fränkischen Villikation habe. Er unterstrich dabei, dass er anders als bei den eingangs vorgestellten Objekten weniger eine aktive Rezeption der Herrschaftsform annehme, als eher eine in manchen Aspekten vergleichbare Entwicklung.

In seinem Vortrag "Politik, Macht, Rituale. Landeseliten des Herzogtums Glogau im ausgehenden Mittelalter" stellte Petr Kozák (Troppau) die Konflikte innerhalb der Eliten des spätmittelalterlichen Schlesiens dar und demonstriert somit die konkreten Auswirkungen der Kristallisation neuer Eliten im Rahmen von Machtspielen. Der Kleinadel des Herzogtums Glogau habe sich dabei zu Instrumenten der Politik der Landesherren entwickelt. In dieser Situation sei das geschwächte Herzogtum zum Objekt der Interessen größerer Herrscher geworden. Der tschechische Nachwuchsforscher schilderte dabei die Etappen des Konfliktes, der am Ende des 15. Jahrhunderts zu einem Aufstieg des Adels und zu einer Niederlage der bürgerlichen Partei führte.

Mit dem Beitrag "Vom Ungarn der Arpaden zum Polen der Piasten. Die Entstehung und das Schicksal der so genannten Ungarisch-polnischen Chronik" von Adrien Quéret-Podesta (Clermont-Ferrand) wurde die Aufmerksamkeit auf die Genese und die Transferprozesse eines literarischen Werkes gelenkt, das von der höfischen Kultur Ungarns und Polens geprägt war. Während die Ungarisch-polnische Chronik in der polnischen chronikalischen überlieferung eine breite Resonanz gefunden habe und viele ihrer Motive mehrfach rezipiert worden seien, sei das Werk und sein Inhalt in Ungarn völlig unberücksichtigt geblieben. Der französische Doktorand konnte zeigen, dass die Chronik in Ungarn verfasst sein musste, und dass die Bezüge zu Polen - übernahme von Motiven der polnischen Tradition sowie spätere Rezeption in Polen - sich durch die Anwesenheit polnischer Prinzessinnen am ungarischen Hof erklären lassen. Es könne hier beobachtet werden, wie der literarische Transfer stark vom politischen Kontext und von persönlichen Interessen abhängig gewesen sei.

Wiebke Rohrer (Marburg) warf in ihrem Beitrag "Wikinger oder Slawen? Die Interpretationsgeschichte frühpiastischer Bestattungen mit Waffenbeigabe" die Frage auf, inwieweit interdisziplinäres Arbeiten nicht wesentlich mehr zur Fortschreibung methodisch ungesicherter Hypothesen führe als ein Weg zu wirklich neuen Ergebnissen sei. Anhand der wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung der Erforschung dreier Gräberfelder in Polen veranschaulichte Rohrer die Auswirkung der normanistischen Forschungstheorie auf die Interpretation der archäologischen Objekte. Durch den Wechsel der politischen Systeme habe sich die Deutung der Gräber wiederholt geändert. Bis heute jedoch bilde die Diskussion der ethnischen Zugehörigkeit der Bestatteten einen zentralen Bestandteil. Für die Referentin ist die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit nicht adäquat für die archäologische Disziplin, sondern präfiguriert die Forschungen vor einem nicht angemessenen Erwartungshorizont.

Im vorletzten Referat sprach Agnès Guénolé (Poitiers) über "‚Piraticum bellum' - Ein möglicher Kulturtransfer in der Historia Danorum von Saxo Grammaticus". Die Historikerin beschäftigte sich dabei mit der Darstellung eines Kulturtransfers im Diskurs des dänischen Gelehrten Saxo Grammaticus (13. Jahrhundert). Im Werk des dänischen Geschichtsschreibers sei die Seeräuberei als eine kulturelle Erscheinung präsentiert worden, die zur Lebensweise der Dänen inhärent gewesen sei. Guénolé zeigte anhand einer frappanten Passage, wie Saxo den Brauch der Seeräuberei bei den Slawen als eine übernahme darstellt, der den Slawen ursprünglich fremd gewesen sei. Dennoch zeige sich - so die junge Forscherin aus Poitiers - im Diskurs Saxos bei dieser übernahme ein wesentlicher Unterschied. Während die Seeräuberei der Dänen mit einer Suche nach Ruhm und Beute stets verknüpft gewesen sei, sei derselbe Brauch bei den Slawen immer negativ konnotiert gewesen. Damit könne man von einem Prozess der Anpassung auf der Seite der Ausgangskultur des dänischen Autors sprechen.

In dem letzten Referat des Workshops mit dem Titel "German Influences and Native Survivals in Courland between the XIIIth and XVIIth Centuries. Puze Burial Ground as an Example" zeigte Marie Nanchen (Paris X) am Beispiel zweier Trachtbestandteile wie ein kultureller Transfer zwischen dem Deutschen Orden und der einheimischen Bevölkerung im Friedhof von Puze, Lettland, fassbar wird. Die Referentin illustrierte, welche Möglichkeiten sich durch die archäologischen Untersuchungen des Gräberfeldes bieten. Zum einen stellte sie die Funde von Anhängern mit Bärenklauen vor, die anhand historischer Quellen als Bestandteil des Volksglaubens gedeutet werden können. Nanchens Einschätzung nach zeigt die Duldung dieser für das Jenseits gedachten Ausstattung, wie die personell nur spärlich ausgestattete Kirche übernahmen aus der Vorstellungswelt der einheimischen Kuren erlaubte. Die wiederholten Funde von runden Gewandschnallen, die mit zwei ineinander greifenden Händen verziert sind, interpretiert die Baltikumspezialistin als sichtbares Kennzeichen der Ausbreitung des christlichen Ritus der Eheschließungen und somit der adaptierten Lebensweise der Kuren.

Im Laufe der Beiträge und der Diskussion kristallisierten sich Potentiale und Schwierigkeiten bei der Anwendung des Kulturtransfermodells auf die Forschung der mittelalterlichen Eliten heraus. Zu den irritierenden Problemen gehört die viel beschworene Spärlichkeit der Quellen, die mal Prozesse nur skizzenhaft rekonstruieren lässt, mal nur die Sicht der einen Kultur zu erforschen erlaubt. Eine gravierende Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass die Quellen - insbesondere die archäologischen - oft kulturelle Kontakte eindeutig feststellen lassen, aber die Vermittler dieser Kontakte und somit die Vermittlungsprozesse zu erkennen nicht erlauben. Dennoch bietet das Modell des Kulturtransfers oft die Möglichkeit, bei der Betrachtung von kulturellen Einflüssen Phänomene zu entdecken, die nur die Berücksichtigung von dynamischen Wechselbeziehungen hervortreten lässt.

Die von Espagne und Werner geprägte Tradition der Kulturtransferforschung mit ihrem Schwerpunkt auf die Personen der Vermittler kann für das Mittelalter quellenbedingt nur selten auf befriedigende Weise angewandt werden, und selbst dann ist oft fraglich, ob die beschriebenen Transfers wirklich zwischen verschiedenen Kulturen stattfinden, und nicht zwischen getrennten, aber kulturell ähnlichen Räumen. Peter Burkes Prägung der Kulturtransfertheorie, insistiert hingegen weniger auf die grundsätzliche Verschiedenheit der Kulturen und auf die Vermittler selbst, sondern eher auf die Kategorisierung der Transmissionsprozesse. Auf diese Weise bietet sie für die Mittelalterforschung mehr Anhaltspunkte, obwohl sie regelmäßig auf erhebliche Quellenprobleme stößt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Kulturtransfermodell einer durchdachten Adaption an die Bedingungen der Mediävistik bedarf. Die Beiträge dieses Workshops liefern eine ausreichende Grundlage für eine methodische Erweiterung des Modells.

Weiterhin nahmen als Gäste an dem Workshop teil: Jörg Bölling (Göttingen), Christina Drees (Göttingen), Janine Freder (Berlin), Sarah Nelly Friedland (Dresden), Katalin Gönczi (Leipzig), Dennis Hormuth (Kiel), Waldemar Königshaus (Göttingen), Nathalie Kruppa (Göttingen), Thomas Küntzel (Göttingen), Sophie Linnemann (Göttingen), Jens Potschka (Göttingen), Maike Sach (Warschau), Jens Schneeweiß (Göttingen), Caroline Völcker (Göttingen).


1. Vom methodischen Ansatz her als zukunftsweisend sei hier genannt: Krausse, Dirk L., Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse. Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes. Ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in: Archäologisches Nachrichtenblatt 9, Heft 4 (2004), S. 359-374.
2. Le Jan, Régine, Historiographie des élites. Introduction, in: lamop.univ-paris1.fr/lamop/LAMOP/elites/. Dies., Bougard, François und Feller, Laurent (Hrsg.), Les Elites au haut Moyen Age. Crises et renouvellements, Paris 2006; Les Echanges culturels au Moyen Age, Paris 2002.
3. Röckelein, Hedwig, Heiraten - ein Instrument hochmittelalterlicher Politik, in: Ranft, Andreas (Hrsg.), Der Hoftag in Quedlinburg 973, Berlin 2006, S. 99-135.
4. Burke, Peter, Kultureller Austausch, Frankfurt am Main 2000, insbesondere S. 9-40. Ackermann, Andreas, Das Eigene und das Fremde: Hybridität, Vielfalt und Kulturtransfers, in: Jaeger, Friedrich und Rüsen, Jörn (Hrsg.), Handbuch der Kulturwissenschaften. Themen und Tendenzen, Bd. 3, Stuttgart 2004, S. 139-154. Espagne, Michel, Les Transferts culturels franco-allemands, Paris 1999; Ders., Der theoretische Stand der Kulturtransferforschung, in: Schmale, Wolfgang (Hrsg.), Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert, Innsbruck 2003, S. 63-75. Als neuere Forschungsinitiative sei auf das DFG-Graduiertenkolleg 516 "Kulturtransfer im europäischen Mittelalter" an der Universität Erlangen verwiesen. www.mittelalter.phil.uni-erlangen.de/grako/index1.htm
5. Eingeladen wurde zusätzlich Grischa Vercamer M.A. (Berlin), der aus beruflichen Gründen kurzfristig absagen musste.